Gastprofessor schlüpfte durch die Seitentür

Der ehemalige türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz (55) hat gestern
seine Gastprofessur an der Ruhr-Uni aufgenommen. Das "Bündnis für
Menschenrechte" bereitete dem umstrittenen Politiker einen ungemütlichen
Empfang.

Vor dem "Haus der Freunde der Ruhr-Universität", wo Yilmaz von der Fakultät
für Sozialwissenschaften zu einem nicht-öffentlichen Gesprächskreis zum
Thema "Die Türkei und Europa" eingeladen war, hatten sich am Nachmittag im
heftigen Regen nicht nur Polizisten sondern auch rund 50 Protestierende
versammelt.

Letztere hielten Fotos mit den Konterfeis von in der Türkei verschwundenen
Menschen hoch. "Unsere Aktion bezieht sich auf eine Protestform der
Samstagsmütter in Istanbul. Unter diesem Namen versammelten sich Ende der
90er Jahre Angehörigen von Verschwundenen, um Aufklärung über das Schicksal
ihrer entführten Eheleute, Kinder, Geschwister oder Eltern einzufordern",
so Knut Rauchfuss von der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum, die mit
ca. zwölf anderen Organisationen das "Bündnis" bildet. An die
Besucher/innen der Veranstaltung wurde ein Dossier verteilt, in dem, wie es
hieß, "die Verantwortung von Yilmaz für die zahllosen
Menschenrechtsverbrechen belegt wird".

Der türkische Ex-Staatschef und die geladenen Gäste ließen sich auf keine
Diskussionen ein - der so angefeindete wie geschätzte Gastprofessor
schlüpfte, von der Menge mit den Plakaten unbemerkt, durch einen
Seiteneingang in den Versammlungsraum.

Für heute, 15. Mai, ruft das Bündnis zu einer Demonstration unter dem Motto
"Anklagebank statt Lehrstuhl" auf. Die Auftaktkundgebung beginnt um 17.30
Uhr auf dem Husemannplatz, erwartet werden bis zu 500 Teilnehmer. Der
Demonstrationszug führt zum Haus der Geschichte des Ruhrgebiets,
Clemensstraße, wo um 19 Uhr eine öffentliche Veranstaltung mit Mesut Yilmaz
zum Thema "Der EU-Konvent: Eine neue europäische Ordnung" stattfinden wird.

Yilmaz wird danach für weitere Lehr- und Diskussionsveranstaltungen im Juni
und Juli in Bochum erwartet.

14.05.2003 Von Jürgen B. Süßmann