Duma Khumalo wurde in den 80er Jahren als einer der „Sharpeville Six“ und damit als
einer der prominentesten politischen Gefangenen in Südafrikas Apartheidregime bekannt. Nach
drei Jahren in der Todeszelle und vielen weiteren Jahren im Gefängnis kämpfte Duma seither
für die Rechte der Apartheidüberlebenden und die Angehörigen der Opfer. Zusammen mit der Organisation
Khulumani Support Group
unterstützte er nicht nur die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer von
Menschenrechtsverletzungen, sondern er ging auch gerichtlich gegen die Täter vor.
„Duma Khumalo war ein Mann mit großem Herzen“, erinnert sich Khulumani Support
Group an ihren Mitstreiter. „Sein gesamtes Leben war eine Reise durch die politischen
Kämpfe für soziale Gerechtigkeit in Südafrika.“ Diese Reise begann im Jahr 1984
in Sharpeville. Dort gingen die Menschen auf die Straßen, um gegen korrupte lokale
Stadtverordnete und gegen Zinserhöhungen zu demonstrieren. Bei den Protesten wurde nicht nur
das Haus des Stadtverordneten Dlamini mit Steinen beworfen. Dlamini aber kam dabei zu Tode.
Zwei Monate später wurden acht Personen festgenommen, darunter auch Duma Khumalo. Keiner von
ihnen war je politisch aktiv gewesen. An ihnen wurde jedoch ein Exempel statuiert. Sie sollten
für den Aufstand in Sharpeville bezahlen, egal, ob sie zu diesem Zeitpunkt am Tatort waren oder
nicht, egal, ob die Festgenommenen sich untereinander kannten oder nicht, und egal, ob die
Vorwürfe der Wahrheit entsprachen oder nicht.
Zwei der Festgenommenen wurden zu acht Jahren Haft verurteilt, die anderen sechs Gefangenen, die
danach als „Sharpeville Six“ weltweit bekannt wurden, wurden zum Tode durch
Erhängen verurteilt. Unter ihnen auch Duma. Man brachte sie in das Pretoria Maximum
Gefängnis, wo sie drei Jahre in einer Todeszelle verbrachten.
Zum Zeitpunkt seiner Festnahme studierte Duma im zweiten Jahr am Sebokeng Teachers Training College,
um Lehrer zu werden. Die Festnahme zerstörte seine Zukunftsplanung.
„Von den acht Jahren, die ich im Gefängnis verbrachte, war ich drei Jahre lang in der
Todeszelle. Ich war dafür bestimmt, zu sterben. Niemand half mir, mich auf ein Leben nach dem
Tod vorzubereiten, nur auf den Tod selbst“, erinnerte sich Duma an die schweren
Jahre.
Die Sharpeville Six blieben 1.076 Tage in der Todeszelle und warteten auf ihre Hinrichtung durch den
Galgen. Erst im November 1988, fünfzehn Stunden vor ihrer Exekution, wurden die Todesurteile in
Haftstrafen zwischen 18 und 25 Jahren umgewandelt.
Das ursprüngliche Urteil musste zurückgezogen werden, da Zeugen durch Folter gezwungen
worden waren, gegen die Angeklagten auszusagen. Auch konnte nicht nachgewiesen werden, dass die
sechs Angeklagten zum Tatzeitpunkt überhaupt am Tatort waren.
Der Prozess um die Sharpeville Six wurde zu einem politischen Prozess. Die internationale
Solidarität für die Gefangenen war enorm. Weltweit fanden massenhaft Proteste für die
Freilassung der Gefangenen statt.
Doch Duma verbrachte noch weitere 25 Jahre in Haft. Während seiner Haftzeit brach seine gesamte
Familienstruktur zusammen, sein Vater erkrankte und sein jüngerer Bruder verstarb.
1991 wurden die Gefangenen freigelassen, nachdem Vereinbarungen mit der Regierung zur Beendigung der
Apartheid getroffen worden waren.
Die Zeit nach dem Gefängnis und die Rückkehr ins Leben waren für Duma zunächst
schwer erträglich. „Im Moment will ich nicht leben“, erklärte Duma Khumalo
gegenüber der Wahrheitskommission, „wenn sie mich damals gehängt hätten,
wäre es um einiges besser gewesen. Es wäre schmerzhaft, aber mehr eben auch nicht.“
Die Sharpeville Six wurden zwar durch die Wahrheits- und Versöhnungskommission amnestiert,
jedoch niemals für die Haft entschädigt.
Es war ihnen niemals möglich, eine reguläre Arbeit zu finden, und sie wurden nie
rehabilitiert.
Dumas Leben war seit seiner Freilassung bestimmt von dem unermüdlichen Kampf für Wahrheit
und Gerechtigkeit für Überlebende und die Angehörigen der Apartheidopfer. Hieraus
schöpfte er neue Kraft.
„Jene von uns, die Menschenrechtsverletzungen während der Apartheid in Südafrika
erleiden mussten, sind keine Opfer. Wir sind Überlebende“, bekräftigte Duma stets
öffentlich. Gemeinsam mit anderen gründete er Khulumani Support Group, die
größte Überlebenden- und Angehörigenorganisation Südafrikas.
Amnestien für die Täter, soziales Elend, offene Wunden und die fortgesetzte Demütigung der Opfer, für ihre Leiden nicht entschädigt und rehabilitiert zu werden, bestimmen auch nach dem formalen Ende der Apartheid die Lebensrealitäten des Landes. Der Zulu-Begriff „Khulumani“ bedeutet auf deutsch „frei sprechen“. Khulumani fordert die vollständige Aufklärung der Verbrechen des Apartheid-Regimes und die Entschädigung der Überlebenden. Um der Ausrede der südafrikanischen Regierung zu begegnen, dass die Auszahlung von Entschädigungen zu viel Geld koste, fordert Khulumani darüber hinaus die Streichung der unrechtmäßigen Apartheid-Schulden und die Rückerstattung von Profiten aus den Geschäften mit dem Regime.
Duma sah die Arbeit der Wahrheits- und Versöhnungskommission stets äußerst kritisch.
Während er das Aussprechen und Dokumentieren des Erlittenen für die Überlebenden und
Angehörigen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen durchaus als wichtigen Schritt in Richtung
Aufarbeitung der Vergangenheit anerkannte, warnte er doch stets vor dem damit verbundenen
Schluss-Strich. Duma sah hier ein großes Problem für die Zukunft seines Landes.
„Wenn unsere Kinder von den Gräueln der Vergangenheit erfahren und sehen müssen,
dass es weder Entschädigungen noch gerichtliche Aufarbeitung gegeben hat, so wachsen bei ihnen
Rachegefühle“, erklärte Duma im Oktober 2005 auf dem Kongress „Gerechtigkeit
heilt – Der internationale Kampf gegen die Straflosigkeit“ in Bochum „Die
Amnestien für die Täter verhindern die gerichtliche Verfolgung derer, die mit der
Kommission kooperierten. Aber auch diejenigen, die niemals vor der Kommission aussagen wollten,
laufen frei herum. Wenn Überlebende versuchen wollen, gerichtliche Schritte einzuleiten, so
können sie es sich finanziell gar nicht leisten.“
In Dumas Fall wurde der Staatsanwalt, der damals für ihn die Todesstrafe gefordert hatte,
niemals zur Rechenschaft gezogen, obgleich er nie vor der Wahrheitskommission ausgesagt und nie
einen Antrag auf Amnestie gestellt hatte.
Dies führte dazu, dass sich Duma wie auch andere Überlebende - neben ihren sozialen
Problemen - auch von der neuen Regierung in Stich gelassen fühlten.
Ihre Aussagen vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission zogen keine Konsequenzen nach sich,
weder für sie selbst noch für die Täter. Viele äußerten sogar das
Gefühl, dass den Tätern für ihre Aussagen in Form der Amnestie gedankt würde,
sie selbst jedoch leer ausgingen. Ihr Vertrauen in den Versöhnungsprozess sei zerstört, da
die Regierung des Landes nicht willens sei, die Empfehlungen der Wahrheitskommission umzusetzen.
Das Engagement für die Überlebenden war Dumas wichtigstes Anliegen. Im Rahmen seiner
Arbeit bei Khulumani realisierte er mit der Regisseurin Yael Farber ein Theaterstück, welches
seine Geschichte erzählt. Das Stück „He left quietly“ soll Überlebende
dazu motivieren, über ihre Geschichte zu reden und sich mit ihren traumatischen Erlebnissen
auseinanderzusetzen. Die Regisseurin Farber sagte über Duma: „Das
Außergewönliche an Duma geht über seine furchtbaren Erfahrungen hinaus. Es ist seine
Gabe, die Details seiner Erfahrungen dem Zuhörer zu vermitteln, und dies mit einer
unglaublichen Menschlichkeit. Die Wirkung, die er auf einen ausstrahlt, zeigt die Leidenschaft,
seinen Schmerz immer wieder zu erzählen - in einem heilenden Akt für ihn selbst, aber auch
für den Zuhörer.“
In seinem Kampf für die Entschädigung der Überlebenden und die Angehörigen der
Opfer reiste Duma zuletzt nach New York. Dort konnte er mit Khulumani eine Sammelklage von 87
Apartheidopfern gegen 23 internationale Banken und Konzerne einreichen, die von der
Apartheid-Regierung profitiert hatten.
Momentan befindet sich diese Klage in der Berufung. Sie wurde zunächst abgewiesen; vor
allem, weil sich die südafrikanische Regierung sperrte, sie zu unterstützen. Die
Entscheidung, ob es zu einem Prozess kommen wird, steht noch aus.
Duma glaubte fest an sein Ziel: an die Möglichkeit, für die Gerechtigkeit der
Überlebenden zu kämpfen. „Ich glaube, dass wir die Welt ändern
können!“ waren seine Schlussworte auf dem Kongress in Bochum. „Denn nicht wir
gehören der Welt, sondern die Welt gehört uns. Und wir können alles vorantreiben,
wenn wir es nur wollen.“
Nun muss der Kampf ohne Duma Khumalo fortgeführt werden. Er wurde am 3. Februar 2006 tot in
einem Hotelbett in Johannesburg aufgefunden, wo er im Zusammenhang mit den bevorstehenden
Kommunalwahlen an einem Workshop teilgenommen hatte. Er starb im Alter von 48 Jahren; zur Zeit
(August 2006) sind die näheren Umstände seines Todes der Medizinischen
Flüchtlingshilfe Bochum noch nicht bekannt.
Duma Khumalo wird uns und vielen eine unvergessliche Inspiration bleiben.
Bianca Schmolze
Projektleitung „Gerechtigkeit heilt – Der internationale Kampf gegen die
Straflosigkeit“
(erschienen in: Analyse und Kritik, Nr.504, März 2006, S.20; hier leicht modifiziert)
Fotos: Georg Eberwein, anlässlich des Kongresses "Gerechtigkeit heilt - Der internationale
Kampf gegen Straflosigkeit", den die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum vom 14. bis 16.
Oktober 2005 in Bochum veranstaltete. Duma Khumalo nahm als einer der ReferentInnen an ihm teil.