Logo MFH

Kampagne gegen die Straflosigkeit

Gerechtigkeit heilt

Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum e.V.


Leben gegen Apartheid und für Gerechtigkeit –
Ein Nachruf auf Duma Khumalo

Duma Khumalo wurde in den 80er Jahren als einer der „Sharpeville Six“ und damit als einer der prominentesten politischen Gefangenen in Südafrikas Apartheidregime bekannt. Nach drei Jahren in der Todeszelle und vielen weiteren Jahren im Gefängnis kämpfte Duma seither für die Rechte der Apartheidüberlebenden und die Angehörigen der Opfer. Zusammen mit der Organisation Khulumani Support Group unterstützte er nicht nur die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen, sondern er ging auch gerichtlich gegen die Täter vor.

Foto Duma Khumalo, Okt. 2005 „Duma Khumalo war ein Mann mit großem Herzen“, erinnert sich Khulumani Support Group an ihren Mitstreiter. „Sein gesamtes Leben war eine Reise durch die politischen Kämpfe für soziale Gerechtigkeit in Südafrika.“ Diese Reise begann im Jahr 1984 in Sharpeville. Dort gingen die Menschen auf die Straßen, um gegen korrupte lokale Stadtverordnete und gegen Zinserhöhungen zu demonstrieren. Bei den Protesten wurde nicht nur das Haus des Stadtverordneten Dlamini mit Steinen beworfen. Dlamini aber kam dabei zu Tode.
Zwei Monate später wurden acht Personen festgenommen, darunter auch Duma Khumalo. Keiner von ihnen war je politisch aktiv gewesen. An ihnen wurde jedoch ein Exempel statuiert. Sie sollten für den Aufstand in Sharpeville bezahlen, egal, ob sie zu diesem Zeitpunkt am Tatort waren oder nicht, egal, ob die Festgenommenen sich untereinander kannten oder nicht, und egal, ob die Vorwürfe der Wahrheit entsprachen oder nicht.
Zwei der Festgenommenen wurden zu acht Jahren Haft verurteilt, die anderen sechs Gefangenen, die danach als „Sharpeville Six“ weltweit bekannt wurden, wurden zum Tode durch Erhängen verurteilt. Unter ihnen auch Duma. Man brachte sie in das Pretoria Maximum Gefängnis, wo sie drei Jahre in einer Todeszelle verbrachten. 

Zum Zeitpunkt seiner Festnahme studierte Duma im zweiten Jahr am Sebokeng Teachers Training College, um Lehrer zu werden. Die Festnahme zerstörte seine Zukunftsplanung. 
„Von den acht Jahren, die ich im Gefängnis verbrachte, war ich drei Jahre lang in der Todeszelle. Ich war dafür bestimmt, zu sterben. Niemand half mir, mich auf ein Leben nach dem Tod vorzubereiten, nur auf den Tod selbst“, erinnerte sich Duma an die schweren Jahre. 

Die Sharpeville Six blieben 1.076 Tage in der Todeszelle und warteten auf ihre Hinrichtung durch den Galgen. Erst im November 1988, fünfzehn Stunden vor ihrer Exekution, wurden die Todesurteile in Haftstrafen zwischen 18 und 25 Jahren umgewandelt.
Das ursprüngliche Urteil musste zurückgezogen werden, da Zeugen durch Folter gezwungen worden waren, gegen die Angeklagten auszusagen. Auch konnte nicht nachgewiesen werden, dass die sechs Angeklagten zum Tatzeitpunkt überhaupt am Tatort waren.
Der Prozess um die Sharpeville Six wurde zu einem politischen Prozess. Die internationale Solidarität für die Gefangenen war enorm. Weltweit fanden massenhaft Proteste für die Freilassung der Gefangenen statt.

Doch Duma verbrachte noch weitere 25 Jahre in Haft. Während seiner Haftzeit brach seine gesamte Familienstruktur zusammen, sein Vater erkrankte und sein jüngerer Bruder verstarb.
1991 wurden die Gefangenen freigelassen, nachdem Vereinbarungen mit der Regierung zur Beendigung der Apartheid getroffen worden waren.

Die Zeit nach dem Gefängnis und die Rückkehr ins Leben waren für Duma zunächst schwer erträglich. „Im Moment will ich nicht leben“, erklärte Duma Khumalo gegenüber der Wahrheitskommission, „wenn sie mich damals gehängt hätten, wäre es um einiges besser gewesen. Es wäre schmerzhaft, aber mehr eben auch nicht.“
Die Sharpeville Six wurden zwar durch die Wahrheits- und Versöhnungskommission amnestiert, jedoch niemals für die Haft entschädigt.
Es war ihnen niemals möglich, eine reguläre Arbeit zu finden, und sie wurden nie rehabilitiert.

 „Wir sind Überlebende, keine Opfer“

Foto Duma Khumalo, Okt. 2005 Dumas Leben war seit seiner Freilassung bestimmt von dem unermüdlichen Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit für Überlebende und die Angehörigen der Apartheidopfer. Hieraus schöpfte er neue Kraft.
„Jene von uns, die Menschenrechtsverletzungen während der Apartheid in Südafrika erleiden mussten, sind keine Opfer. Wir sind Überlebende“, bekräftigte Duma stets öffentlich. Gemeinsam mit anderen gründete er Khulumani Support Group, die größte Überlebenden- und Angehörigenorganisation Südafrikas.

Amnestien für die Täter, soziales Elend, offene Wunden und die fortgesetzte Demütigung der Opfer, für ihre Leiden nicht entschädigt und rehabilitiert zu werden, bestimmen auch nach dem formalen Ende der Apartheid die Lebensrealitäten des Landes. Der Zulu-Begriff „Khulumani“ bedeutet auf deutsch „frei sprechen“. Khulumani fordert die vollständige Aufklärung der Verbrechen des Apartheid-Regimes und die Entschädigung der Überlebenden. Um der Ausrede der südafrikanischen Regierung zu begegnen, dass die Auszahlung von Entschädigungen zu viel Geld koste, fordert Khulumani darüber hinaus die Streichung der unrechtmäßigen Apartheid-Schulden und die Rückerstattung von Profiten aus den Geschäften mit dem Regime.

Duma sah die Arbeit der Wahrheits- und Versöhnungskommission stets äußerst kritisch. Während er das Aussprechen und Dokumentieren des Erlittenen für die Überlebenden und Angehörigen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen durchaus als wichtigen Schritt in Richtung Aufarbeitung der Vergangenheit anerkannte, warnte er doch stets vor dem damit verbundenen Schluss-Strich. Duma sah hier ein großes Problem für die Zukunft seines Landes. „Wenn unsere Kinder von den Gräueln der Vergangenheit erfahren und sehen müssen, dass es weder Entschädigungen noch gerichtliche Aufarbeitung gegeben hat, so wachsen bei ihnen Rachegefühle“, erklärte Duma im Oktober 2005 auf dem Kongress „Gerechtigkeit heilt – Der internationale Kampf gegen die Straflosigkeit“ in Bochum „Die Amnestien für die Täter verhindern die gerichtliche Verfolgung derer, die mit der Kommission kooperierten. Aber auch diejenigen, die niemals vor der Kommission aussagen wollten, laufen frei herum. Wenn Überlebende versuchen wollen, gerichtliche Schritte einzuleiten, so können sie es sich finanziell gar nicht leisten.“
In Dumas Fall wurde der Staatsanwalt, der damals für ihn die Todesstrafe gefordert hatte, niemals zur Rechenschaft gezogen, obgleich er nie vor der Wahrheitskommission ausgesagt und nie einen Antrag auf Amnestie gestellt hatte.

Dies führte dazu, dass sich Duma wie auch andere Überlebende - neben ihren sozialen Problemen - auch von der neuen Regierung in Stich gelassen fühlten.
Ihre Aussagen vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission zogen keine Konsequenzen nach sich, weder für sie selbst noch für die Täter. Viele äußerten sogar das Gefühl, dass den Tätern für ihre Aussagen in Form der Amnestie gedankt würde, sie selbst jedoch leer ausgingen. Ihr Vertrauen in den Versöhnungsprozess sei zerstört, da die Regierung des Landes nicht willens sei, die Empfehlungen der Wahrheitskommission umzusetzen.

Das Engagement für die Überlebenden war Dumas wichtigstes Anliegen. Im Rahmen seiner Arbeit bei Khulumani realisierte er mit der Regisseurin Yael Farber ein Theaterstück, welches seine Geschichte erzählt. Das Stück „He left quietly“ soll Überlebende dazu motivieren, über ihre Geschichte zu reden und sich mit ihren traumatischen Erlebnissen auseinanderzusetzen. Die Regisseurin Farber sagte über Duma: „Das Außergewönliche an Duma geht über seine furchtbaren Erfahrungen hinaus. Es ist seine Gabe, die Details seiner Erfahrungen dem Zuhörer zu vermitteln, und dies mit einer unglaublichen Menschlichkeit. Die Wirkung, die er auf einen ausstrahlt, zeigt die Leidenschaft, seinen Schmerz immer wieder zu erzählen - in einem heilenden Akt für ihn selbst, aber auch für den Zuhörer.“

Foto von Duma Khumalo, Okt. 2005 Duma: He did not leave quietly

In seinem Kampf für die Entschädigung der Überlebenden und die Angehörigen der Opfer reiste Duma zuletzt nach New York. Dort konnte er mit Khulumani eine Sammelklage von 87 Apartheidopfern gegen 23 internationale Banken und Konzerne einreichen, die von der Apartheid-Regierung profitiert hatten.
Momentan befindet sich diese Klage in der Berufung. Sie wurde zunächst abgewiesen; vor allem, weil sich die südafrikanische Regierung sperrte, sie zu unterstützen. Die Entscheidung, ob es zu einem Prozess kommen wird, steht noch aus. 

Duma glaubte fest an sein Ziel: an die Möglichkeit, für die Gerechtigkeit der Überlebenden zu kämpfen. „Ich glaube, dass wir die Welt ändern können!“ waren seine Schlussworte auf dem Kongress in Bochum. „Denn nicht wir gehören der Welt, sondern die Welt gehört uns. Und wir können alles vorantreiben, wenn wir es nur wollen.“
Nun muss der Kampf ohne Duma Khumalo fortgeführt werden. Er wurde am 3. Februar 2006 tot in einem Hotelbett in Johannesburg aufgefunden, wo er im Zusammenhang mit den bevorstehenden Kommunalwahlen an einem Workshop teilgenommen hatte. Er starb im Alter von 48 Jahren; zur Zeit (August 2006) sind die näheren Umstände seines Todes der Medizinischen Flüchtlingshilfe Bochum noch nicht bekannt.
Duma Khumalo wird uns und vielen eine unvergessliche Inspiration bleiben.

Bianca Schmolze
Projektleitung „Gerechtigkeit heilt – Der internationale Kampf gegen die Straflosigkeit“

(erschienen in: Analyse und Kritik, Nr.504, März 2006, S.20; hier leicht modifiziert)

Fotos: Georg Eberwein, anlässlich des Kongresses "Gerechtigkeit heilt - Der internationale Kampf gegen Straflosigkeit", den die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum vom 14. bis 16. Oktober 2005 in Bochum veranstaltete. Duma Khumalo nahm als einer der ReferentInnen an ihm teil.


▲ zum Seitenanfang