Im Juli 2008 wurde der Vorsitzende
der kongolesischen Menschenrechtsorganisation SAVE Congo, Guy Kitwe
Mulunda, eine Woche lang von der Militärpolizei festgehalten und
schwer misshandelt, nachdem er in einer Radio- und Fernsehsendung die
schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen im Kongo und die
systematische Straflosigkeit angeprangert hatte. Das Interview
führte Bianca Schmolze von der Kampagne „Gerechtigkeit
heilt“ (G.h.) Anfang Dezember 2008 in Bochum.
G.h.: Guy, wir freuen uns sehr, dass
Du heute bei uns bist, um über die aktuelle
Menschenrechtssituation in der DR Kongo zu berichten, in der nicht nur
reguläre Truppen der Regierung systematisch schwere
Menschenrechtsverletzungen begehen, sondern vor allem verschiedene
Rebellengruppen. Welches sind deren Interessen und wodurch
unterscheiden sie sich?
G.K.M.: In meinem Land sind seit einiger Zeit mehrere Rebellengruppen
entstanden, die ihre ganz eigenen Ziele verfolgen. So genießen
zum Beispiel die kongolesischen Rebellen der Mai-Mai Unterstützung
von Seiten der Regierung. Andere Gruppen werden wiederum nicht von der
Regierung unterstützt, wie zum Beispiel die Rebellen der CNDP
unter der Führung von Laurent Nkunda.
Für zahlreiche Rebellen steht das Ziel im Vordergrund, einen
Posten in einer zukünftigen Regierung zu erhalten. Mit Hilfe der
systematisch angewandten Gewalt sollen Verhandlungen mit der Regierung
herbeigeführt werden, so wie es bereits nach dem Tod von Laurent
Désiré Kabila geschah. Damals existierten ebenfalls
zahlreiche Rebellengruppierungen, die von der damaligen Regierung zu
Verhandlungen eingeladen wurden. Diese führten zu der Bildung
einer neuen Regierung mit einem Präsidenten und vier
Vizepräsidenten, die von jeweils einer Rebellengruppe gestellt
wurden.
Es gibt jedoch auch Rebellen, die vor allem wirtschaftliche Ziele
verfolgen, indem sie Teile des Landes unter ihre Kontrolle bringen, in
denen es große Vorkommen an Gold, Diamanten oder Coltan gibt.
G.h.: All diese Gruppen begehen
systematisch Verbrechen gegen die Menschheit, ohne dafür zur
Rechenschaft gezogen zu werden, so auch die Milizen der FDLR, zu deren
Mitgliedern zahlreiche radikale Hutu zählen, die Verbrechen im
Zuge des Völkermords 1994 in Ruanda zu verantworten haben. Wie
kann dieser Straflosigkeit ein Ende gesetzt werden?
G.K.M.: In der Tat hat jede dieser Rebellengruppen schwerwiegende
Menschenrechtsverletzungen zu verantworten. Dennoch ist es so, dass die
Regierungen anderer Länder insbesondere die Verbrechen der FDLR
leugnen.
Unser Ziel als Menschenrechtsorganisation ist es, der Straflosigkeit
für Verbrechen gegen die Menschheit ein Ende zu setzen und die
Anführer der Rebellen vor Gericht zu bringen. So wissen zum
Beispiel die Anführer der FDLR genau, so auch Ignace
Murwanashyaka, der hier in Deutschland lebt, dass sich ihre Mitglieder
schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig machen, und doch
unternehmen sie keinerlei Maßnahmen, um diesen Verbrechen und der
Rebellion ein Ende zu setzen.
Daher fordere ich von der deutschen Regierung, dass sie endlich aktiv
wird gegen Murwanashyaka als Anführer der FDLR, die Kinder
tötet und Frauen vergewaltigt. Murwanashyaka muss für
Verbrechen gegen die Menschheit strafrechtlich zur Verantwortung
gezogen werden. Nur so können weitere Rebellionen und
systematische Menschenrechtsverletzungen verhindert werden.
G.h.: Und wie verhält es sich mit der CNDP und Laurent Nkunda?
G.K.M.: Seit langem recherchieren wir nun über die verschiedenen
Rebellengruppen im Kongo und über ihre Motivationen. Die CNDP
unter der Führung des ehemaligen Generals Laurent Nkunda wurde als
Rebellenbewegung gegründet, um die Minderheit der Tutsi im Kongo
zu beschützen, die vor allem im Osten des Landes leben. Da Nkunda
lange Zeit General war, kannte er die Politik der kongolesischen
Regierung genau. Aufgrund der staatlichen Repression gegenüber den
kongolesischen Tutsi verließ Nkunda seinen Posten und
gründete die CNDP.
Ihm geht es um keine politischen Posten, und er verfolgt vorrangig auch
keine wirtschaftlichen Ziele. Ihm geht es darum, sich für die
systematisch verfolgten Tutsi des Landes einzusetzen und sie zu
beschützen, denn man betrachtet sie nicht als Kongolesen, sondern
als Tutsi aus Ruanda. Doch die meisten sind im Kongo geboren. Da sie
von Seiten der Regierung verfolgt und von Seiten der FDLR angegriffen
werden, sieht sich die CNDP als ihre einzige Schutzmacht.
Doch genau dies will man im Kongo nicht glauben, da auch die Mitglieder
der CNDP schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen. Dabei muss
man jedoch verstehen, dass die Einheiten der CNDP vor allem aus
ehemaligen Militärs bestehen, die Nkundas Absichten nicht
verinnerlicht haben. Ich habe in keiner Weise irgendwelche Verbindungen
zu Nkunda, doch wir haben gemeinsam mit JuristInnen viel zu seiner
Bewegung recherchiert und wir sind davon überzeugt, dass Nkundas
Interesse darin besteht, die bedrohten Tutsi des Landes zu
schützen.
G.h.: Was forderst Du von der Internationalen Gemeinschaft, damit die Gewalt in der DR Kongo beendet werden kann?
G.K.M.: Wir fordern konkretere Maßnahmen. Die Internationale
Gemeinschaft ist bereits im Kongo, in Form der UN-Mission für den
Kongo MONUC. Doch obwohl die UN über eine Armee verfügt,
fungiert sie lediglich als Beobachter.
Wie soll man verstehen, dass eine Weltarmee, die in den Kongo gekommen
ist mit der Absicht, zu helfen und die Gewalt einzudämmen, die
tagtäglich sieht, dass schwere Menschenrechtsverletzungen begangen
werden, nicht eingreift, sondern nur beobachtet? Seit Jahren schon
beobachten sie und nichts hat sich geändert.
Wir haben in der kongolesischen Bevölkerung mehrere Umfragen
gemacht, die ergaben, dass das Vertrauen in die UN bei den meisten
verloren ist. Stattdessen glauben viele, dass die UN nur im Land seien,
um die Rebellen zu schützen und sich an den Bodenschätzen zu
bereichern. Daher brauchen wir auf internationaler Ebene konkretere
Maßnahmen, um die Gewalt im Kongo endlich zu beenden. Die
Menschen können nicht mehr. Sie ertragen es nicht mehr, vor ihren
Kindern gefoltert und vergewaltigt zu werden.
Veröffentlicht in ak 534 vom 19. Dezember 2008, S.22