Zum
internationalen Kongress „Gerechtigkeit heilt” hier
im Bahnhof Langendreer begrüße ich Sie
alle im Namen der Stadt Bochum.
Mein besonderer
Willkommensgruß gilt den Menschen, die zum Teil
weite Wege und Kosten auf sich genommen haben, um hierher zu
kommen.
Das Thema, das uns an diesem Wochenende
beschäftigt, ist der internationale Kampf gegen die
Straflosigkeit. Am 18. Oktober vor fast genau 60 Jahren wurde im Kammergerichtsgebäude
in Berlin, dem Sitz des Alliierten Kontrollrates, ein Gerichtsverfahren
eröffnet, das weltweit bislang einmalig war. Im Rahmen dieses internationalen
Militärtribunals, welches seine Sitzungen dann später
in Nürnberg fortsetzte, wurden
Nazi-Hauptkriegsverbrecher und verbrecherische Organisationen des
Dritten Reiches angeklagt und verurteilt. Die Abrechnung mit dem verbrecherischen
Regime war ein Stück weltweiter Gerechtigkeit und eine erste wirkliche
Chance für das Werden eines zivilen demokratischen
Deutschlands. Nur durch die rechtskräftige
Verurteilung der verbrecherischen Horrortaten konnte der Grundstein
für den gesellschaftlichen Neuaufbau gelegt werden.
Wir
wissen, dass es in allen Teilen der Welt heute noch Kriege,
Völkermorde und Menschenrechtsverletzungen gibt.
Doch wo ist die konsequente und umfassende rechtliche
Missbilligung, Verurteilung sowie Bestrafung durch die Weltgemeinschaft?
Erst
in den letzen Jahren sind mit den internationalen
Gerichtshöfen Schritte in diese Richtung
unternommen worden. Schwerpunkt hier sind derzeit die Verbrechen während
des Balkankrieges und der Völkermord in Ruanda, doch dies kann
nur ein Anfang sein.
Andere unsägliche
Gräuel, ja der Genozid an ganzen Stämmen und
Völkern, dürfen keinesfalls
ungesühnt bleiben. Erst wenn die Gerechtigkeit
überall und ohne Ausnahme zum obersten Gebot wird,
werden wir eine reelle Chance auf einen weltweiten Frieden
bekommen.
Internationale Gerechtigkeit dient der
Prävention und damit der Abschreckung erneuter Gräueltaten
ebenso wie der Förderung gesellschaftlicher Umbrüche
im Allgemeinen hin zu einer globalen sowie insbesondere
zivilen Völkergemeinschaft. Insofern müssen wir
alle unser Augenmerk und unsere Anstrengungen nach Kräften
darauf richten, dass der mit Gerechtigkeit verbundene
Ausgleich zwischen Unrecht und Recht für alle Menschen
Gültigkeit findet. Zivilcourage endet nicht bei unseren
unmittelbaren Mitmenschen, sie reicht so weit wir erkennen
können. Zivilcourage ist in diesem Sinne
grenzenlos!
Zeichen
eines solchen Engagement gibt es dabei auf den unterschiedlichsten
Ebenen.
Ich denke beispielsweise an das Institut
für Diaspora- und Genozidforschung an unserer
Ruhr-Universität. Hier werden die Grundlagen für die
großen “Völkervernichtungsaktionen”
oder, wie es so verharmlosend hieß, der “ethnischen Säuberungen”
wissenschaftlich untersucht, um so Strukturen aufzuzeigen, die solche Verbrechen
erst ermöglichen.
Wie sehr dabei die Finger in
manche offene Wunde gelegt wird, macht für mich u.a. die
Reaktion der Türkei auf den Völkermord an den
Armeniern zu Beginn des letzten Jahrhunderts deutlich. Ohne
hier Stellung beziehen zu wollen, muss es meiner Einschätzung
nach stets möglich sein, historische und
zeitgenössische Ereignisse ergebnisoffen zu
erforschen und zu diskutieren. Denn nur so können wir zu Ergebnissen
gelangen, die diese Welt für uns alle friedlicher und
lebenswerter macht.
So wichtig die wissenschaftliche
Aufarbeitung für die Zukunft ist, darf darüber jedoch nicht
das konkrete Engagement für die heutigen Opfer vergessen
werden. Dieses Engagement praktiziert die Medizinische
Flüchtlingshilfe in vorbildlicher Weise, indem sie
kostenlose psychosoziale Beratung und Therapie für
Überlebende und Traumatisierte anbietet. Sie
leistet damit einen wichtigen Beitrag zur medizinischen Betreuung
von Flüchtlingen und füllt eine Lücke in
unserem Gesundheitssystem.
Die Medizinische
Flüchtlingshilfe hat ihre Arbeit immer schon als Verbindung von allgemeiner
Menschenrechtsarbeit mit Prävention und Therapie verstanden.
Die Organisierung des internationalen Kongresses
“Gerechtigkeit heilt” ist deshalb nur folgerichtig.
Ich
danke der Medizinischen Flüchtlingshilfe, dass sie das Thema
“Kampf gegen Straflosigkeit” als Teil
eines Gesamtprojekts aufgegriffen hat und wünsche dem Kongress
fruchtbare Diskussionen und Ergebnisse, die uns allen eine etwas heilere Welt
bringen.
Herzlichen Dank.